Steve Reichs dreiaktige Multimedia-Oper The Cave entstand auf der Grundlage eines Librettos von Reichs Ehefrau, der Videokünstlerin Beryl Korot, und wurde erstmals 1993 im Rahmen der Wiener Festwochen aufgeführt. Der Name des Werks verweist auf die Höhle der Patriarchen in Hebron, einem Heiligtum dreier Weltreligionen: des Judaismus, des Christentums und des Islams. Die Autoren der Oper nutzten diesen Begegnungsort als Gelegenheit zu einer Konfrontation von Ansichten israelischer, palästinensischer und amerikanischer Sprecher. 

Steve Reich betrachtete das Operngenre lange Zeit als einen Anachronismus und lehnte Kompositionsaufträge für Opern ab. Seine Haltung änderte er erst während seiner Arbeit an den Different Trains für das Kronos Quartet. Zu jener Zeit wurde ihm bewusst, dass das Bühnengeschehen die Form eines Theaters der Ideen haben kann, also dokumentarischer Aufzeichnungen der Sprecher, welche ihre Gedanken begleitet von Live-Musik vortragen, die somit melodisch dupliziert werden. Gerade in seiner Arbeit mit der Melodik knüpft Reich an Leoš Janáček und seine Sprachmelodien an. Als Vorbild für die musikalische Gestaltung der Oper diente ihm Kurt Weill, insbesondere durch seinen zivilen Ansatz und eine gewisse Provisorität der musikalischen Besetzung. Eine Grundforderung Reichs ist, dass die Musik dem Ort und der Zeit ihres Entstehens entsprechen und, soweit möglich, nicht langweilig sein soll. The Cave gehört zweifellos zu den herausragenden Opernwerken der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert. Das fünfkanalige Video wird von einem Kammerensemble begleitet, dessen Mitglieder unter anderem rhythmisch klatschen oder auf Computertastaturen tippen.  

Martin Flašar