Bei dem Konzert werden drei Meisterwerke aus Janáčeks Chorschaffen erklingen. Die Hradschiner Lieder für Sopran, Frauenchor, Flöte und Harfe aus dem Jahr 1916 sind mitten im Ersten Weltkrieg entstanden. Hier stellt der Hradschin nicht das grandiose, stolze Symbol des tschechischen Staates dar. Die Serie fragiler Bilder aus den Winkeln des Hradschin soll eher bescheidene und liebevolle Emotionen ausdrücken. Beim Kantor Halfar, dem ersten Stück aus Janáčeks berühmter Trilogie für Männerchöre nach den Worten von Petr Bezruč, ist dem Komponisten erstmals ein sehr individuelles, expressives Chorwerk gelungen, in welchem er die persönliche Tragödie eines einzelnen Menschen beschreibt, der durch den Druck seines Umfelds bis in den Freitod getrieben wird. Des Narren Irrfahrt für Männerchor mit Sopransolo aus dem Jahr 1922 basiert auf einem Gedicht des indischen Autors Rabindranath Thakur und darf als eines der fulminantesten Werke in Janáčeks Chorschaffen gelten. Das dichterische Motiv der ewigen Suche harmoniert hier perfekt mit dem Lebensweg des Komponisten.

Der Komponist Bohuslav Martinů (1890–1959) verbrachte die letzten zwanzig Jahre seines Lebens aufgrund der politischen Entwicklung in der Tschechoslowakei gezwungenermaßen in der Emigration. In sein Heimatland konnte er nur auf symbolische Weise zurückkehren, am häufigsten tat er dies in seinen musikalischen Werken. Einen tiefen Eindruck hinterließen auf ihn die einfachen volkstümlichen Verse seines einstigen Freundes aus Polička, des Schriftstellers Miroslav Bureš, welcher in seinen Werken die Natur der Böhmisch-Mährischen Höhe und die dortigen Volksbräuche preist. Diese Anregungen verarbeitete Martinů zu einem losen Zyklus von vier Kammerkantaten, mit denen er Burešs Poesie ein musikalisches Denkmal setzte. Neben dem Maifest der Brünnlein (1955) und der Legende aus dem Rauch des Kartoffelkrautes (1956) sind dies die zauberhafte Löwenzahn-Romanze (1957), die Geschichte eines jungen Mädchens, das auf die Rückkehr seines Geliebten vom Militärdienst wartet, und Mikesch vom Berge (1959), eine Kindererzählung von Mikesch, der mit seiner Ziegenherde gegen Frost und Schneegestöber ankämpft und den Berg, wo sein Herde weidet, vor diesen Unbilden rettet.

Der Prager philharmonische Chor ist ein herausragenden Vokalensemble mit einer fast achtzigjährigen Geschichte. Die Hauptchorleiter seit den Sechzigerjahren waren Josef Veselka, Lubomír Mátl, Pavel Kühn, Jaroslav Brych und Jan Rozehnal, seit 2007 hat Lukáš Vasilek diese Funktion inne. Zu den Konzertpartnern des Chors zählen weltweit führende Orchester wie etwa die Berliner Philharmoniker, das Königliche Concertgebouw-Orchester aus Amsterdam, die Wiener Philharmoniker, das Leipziger Gewandhaus-Orchester, das BBC Symphony Orchestra aus London, die Symphonieorchester aus Boston und San Francisco und selbstverständlich auch die Tschechische Philharmonie. Der Chor arbeitet mit herausragenden Dirigenten wie Daniel Barenboim, Jiří Bělohlávek, Pierre Boulez, Riccardo Chailly, Riccardo Muti, Sir Simon Rattle oder Michael Tilson Thomas zusammen. Seit 2010 war der Chor an mehr als dreihundert Konzerten und anderen Musikereignissen beteiligt. Das Ensemble verfügt über ein breites Repertoire, das vor allem A-cappella-Werke, Kantaten und Oratorien vom Klassizismus bis in die Gegenwart umfasst. In jüngerer Zeit widmet sich der Prager philharmonische Chor in unterschiedlichen Kammerbesetzungen auch der Renaissance- und Barockmusik. Seit 2010 tritt er als Stammchor der Bregenzer Festspiele in Erscheinung.

Lukáš Vasilek studierte das Fach Dirigieren an der Prager Akademie der musischen Künste sowie Musikwissenschaft an der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität. Von 1998 bis 2009 war er Chorleiter des Foerster-Kammerchors, in den Jahren 2005–2007 wirkte er daneben als zweiter Chorleiter des Opernchors des Nationaltheaters Prag. Im Jahr 2005 verlieh ihm die Union der tschechischen Gesangschöre den Preis „Regens Chori Junior“. Seit 2007 ist er Hauptchorleiter des Prager philharmonischen Chors. Neben der Einstudierung des Programms und der Leitung der selbständigen Konzerte gehört zu seinen Tätigkeiten auch die Vorbereitung des Ensembles auf seine Teilnahme an großen Kantaten-, Oratorien- oder Opernprojekten. Tonaufnahmen, die unter seiner Leitung entstanden, finden sich auf zahlreichen CDs (z. B. Deutsche Grammophon, Sony Classical, Supraphon). Im Jahr 2010 sorgte Lukáš Vasilek für die Zusammenstellung und musikalische Vorbereitung eines Jazz-Vokalensembles, welches Bobby McFerrin bei dessen Konzerten in Tschechien begleitete. Im selben Jahr gründete Vasilek auch den professionellen Kammerchor Martinů Voices, der sich insbesondere der Interpretation von Werken des 20. und 21. Jahrhunderts widmet. Gelegentlich dirigiert Vasilek auch Orchester.

Ondřej Pivoda